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Mein ist die ganze Welt – die Eco-Brands kommen

Mein ist die ganze Welt – die Eco-Brands kommen

In vielen Märkten formieren sich vermehrt Universalanbieter. Und im Rechtsmarkt?

 

Von Stephanie Hartung, Gastbeitrag erschienen im Deutscher Anwaltspiegel, Ausgabe 6/2014 (26.03.2014)

 

„The game has changed from a battle of devices to a war of ecosystems“, sagte im Jahr 2001 der damalige Chief Executive Officer von Nokia, Stephen Elop, auf einer Pressekonferenz. Damit bezog er sich auf die Entwicklungen in den Märkten des Internets, des Mobile Webs, verschiedener IT-Anwendungen, er bezog sich auch auf Marktsegmente der Energiegewinnung und -versorgung, der Logistik, der Medien und, und, und.

Was sich in diesen bis dahin voneinander getrennten Märkten zeigte, war die atemberaubende Ausweitung der Geschäftsfelder großer Unternehmensmarken, die dazu führte, dass die einzelnen Märkte zu einem großen, nicht mehr klar abgrenzbaren Markt zusammenschmolzen.

Heute kämpfen Unternehmen nicht mehr mit einzelnen Produkten (Produktfamilien) oder Dienstleistungen um Anteile in getrennten Marktsegmenten. Heute führen ökonomische Universalsysteme regelrechte Kriege, Eco-Wars eben. Wie das Internet in vielen Bereichen immer wieder Innovationstreiber war, so auch hier. Das Unternehmen Google wandelte sich im Jahr 2011 durch den Kauf von Motorola und die Ausstattung der Handys mit dem hauseigenen Betriebssystem Android endgültig vom ausschließlichen Suchexperten hin zum globalen Datenmanager und universellen Versorger, der sich Jahr für Jahr einen Anbieter nach dem anderen einverleibt und das Universalportfolio konsequent ausbaut. Ist man einmal in die Google-Welt eingetreten, gibt es kaum einen Anlass, diese wieder zu verlassen. Die Rundumversorgung hat durchaus totalitäre Züge.

Das Unternehmen Apple hatte bereits einige Jahre zuvor durch die Entwicklung zahlreicher Geschäftsfelder (wie etwa iTunes), durch Produktinnovationen (MP3-Player, iPhone, iPad) und synchronisierende Gerätevernetzungen (iCloud) seine Geschäftsfelder derart breit aufgestellt, dass man schon längst wie selbstverständlich von einer Apple-Welt und einer Apple-Communitiy spricht.

„Die ganze Welt ist ich“, so rufen es uns die Produkte, Anwendungen und Services dieses Ecosystems zu. Amazon war 2011 längst kein Onlinebuchhändler mehr, und in den vergangenen Jahren hat sich das Unternehmen konsequent zum globalen Gatekeeper des Kaufens entwickelt – kein Bedarf und keine Suchanfrage, die nicht zu Amazon führt.

Google wurde zum beinahe alleinherrschenden Ecosystem für globales Datenmanagement und totale Datenvernetzung in allen nur denkbaren Bereichen. Apple wurde zum Ecosystem der absoluten Selbstbehauptung. Amazon schließlich wurde zum universalen Ecosystem des weltweiten Einkaufs.

 

Vom Unternehmen zum ökonomischen System

Was all diese Beispiele vereint, ist ein unternehmerischer Universalanspruch, letztlich wohl der Versuch, Schritt für Schritt durch schiere Übermacht in der virtuellen Welt der Daten ein Monopol mit Zugriff auf die reale Welt aufzubauen, ein Monopol jedenfalls, das sowohl Content

und Verwaltung als auch Produkte, Software und Applikationen umfasst. Nicht zuletzt hängen an diesen Systemen (oder gehören ihnen gar schon) wiederum riesige Logistiksysteme, Bezahlsysteme, Medien und, und, und.

Sieht man einmal von der monopolistischen Strategie ab, zeichnen sich die Unternehmen vor allem durch eines aus: Sie gehen mit einer universalen Vision und einer großen Mission voran und versammeln unter ihrem Dach alles, was zur Gestaltung der von ihnen avisierten Welt passt. Ohne ihre Visionen hätten sie für die Umsetzung keine Orientierung, und ohne die Vision würde sich ihnen niemand anschließen. Unsere Beispiele zeigen das: Google steht für die totale Orientierung und das Versorgtsein in der Welt, Apple steht für das revolutionär Andere (think different) und für das Über-sich-selbst-Hinauswachsen des Menschen durch extremitätenverlängernde Geräte mit sinnlicher Anmutung, Amazon steht für den ubiquitären Zugriff auf Produkte und einen perfekten Rundumservice. Mit diesen Visionen haben sich viele Menschen identifiziert, und sie sind den Unternehmen gefolgt. Ich habe für solche Unternehmen deshalb den Begriff Eco-Brands geprägt, und ich bin sicher, dass den Eco-Brands die nahe Zukunft gehört.

 

„Der Rechtsmarkt wird angesichts eines Fremdbesitzes mehr und mehr in den Unternehmensmarkt diffundieren und sich als solcher auflösen.“

 

Blaupausen für Eco-Brands in der Geschichte

Für Eco-Brands, so neu das Phänomen auch scheinen mag, gibt es bereits in der frühen Geschichte Blaupausen. Die wohl älteste und bekannteste ist das Römische Reich, das mit dem kulturellen Universalanspruch „Die ganze Welt ist Rom“ ein gigantisches Imperium mit einer einheitlichen kulturellen Identität aufbaute. Für Interessierte ohnehin ein Lehrstück des Markenaufbaus, ist Rom auch mit Blick auf die Besonderheiten einer Eco-Brand von immenser Bedeutung. Das Staatsvolk – sei es in der Republik oder später im Kaiserreich – stand vereint hinter einer gemeinsamen Vision von Welt und setzte die Leitmission „Wir erobern die Welt“ in erfolgreiche Maßnahmen um, die beileibe nicht nur militärischer Natur waren. Beim Aufbau dieser schließlich gigantischen Eco-Brand ging es nicht etwa darum, einzelne Aspekte zu verbessern oder in bestimmten Bereichen besonders gut zu sein. Es ging darum, die ganze Welt entsprechend einer einzigen Vision zu gestalten.

Eine andere Eco-Brand, die unter Markenexperten nach wie vor als erfolgreichste Marke der Welt gilt, ist die römisch-katholische Kirche. Auch hier implizierte die Vision einen Universalanspruch, der deshalb eine so außergewöhnliche Strahlkraft hatte, weil er zugleich spirituelles Glaubensbekenntnis war: „Es gibt nur einen Gott für alle Menschen“. Das Unternehmen Kirche hatte bereits im Römischen Reich begonnen, die daraus folgende Mission „Wir tragen die frohe Botschaft in alle Welt“ konsequent und authentisch umzusetzen – mit einer derart ökonomisch ausgerichteten Strategie, dass es heute gar einen Staat, ein Bankwesen und unzählige hochwertige Immobilien in aller Welt sein Eigen nennt.

 

Die Besonderheit von Eco-Brands

Was Marken und Eco-Brands gemein haben, ist die Vision im Markenkern, die das komplexe Umfeld zugunsten von dessen Bewältigung reduziert und damit eine präzise Auswahl unter vielen Möglichkeiten trifft, auf die sich dann das gesamte Unternehmen ausrichtet. Was aber Eco-Brands von üblichen Unternehmensmarken deutlich unterscheidet, ist der universelle Gestaltungsanspruch der ihnen innewohnenden Vision, der sich nicht mehr auf einen Bereich, ein Produkt oder eine Dienstleistung konzentriert, sondern sich vielmehr Schritt für Schritt sämtliche, für die avisierte Weltgestaltung nötigen Aktions- und Geschäftsbereiche unterzuordnen und einzuverleiben weiß.

Ob das eine typische Entwicklungsphase von gesättigten Märkten ist, sei dahingestellt. Deutlich zu beobachten ist in jedem Fall, dass sich die zunehmend globalisierten Märkte in ihren definierten Grenzen auflösen und mit großer Dynamik in Richtung Eco-Brands drehen. Die genannten Unternehmen, die den Schritt bereits vollzogen haben, bilden erst die Speerspitze dieser neu- en Bewegung.

 

Die Zukunft im Rechtsmarkt gehört den Eco-Brands

Was aber könnte das Phänomen der Eco-Brands mit dem Rechtsmarkt gemein haben – zumal ausgerechnet im Rechtsmarkt angesichts des wachsenden Wettbewerbs die geforderte Blüte des Kanzlei-Brandings noch eine mehr als zarte Knospe ist? Im deutschen Markt findet man unter den zahlreichen Kanzleien nur einige wenige, die sich mit professionellem Branding überhaupt befassen. Warum also überhaupt über Eco-Brands nachdenken, wenn noch nicht einmal die erste Stufe der Brandingrakete im Rechtsmarkt gezündet wurde?

Die Entwicklungen der vergangenen Jahre im Rechtsmarkt waren rasant. Und das wird so weitergehen. Spätestens dann, wenn man auf die Alternative Business Structures (ABS), den möglichen Fremdbesitz von Kanzleien also, der im englischen Rechtsmarkt bereits Realität ist und der von manchen deshalb als zwangs- läufige Zukunft für den deutschen Markt prognostiziert wird, schaut, wird deutlich, welches Potential in den Strategien der Eco-Brands lauert. Der Rechtsmarkt wird angesichts eines Fremdbesitzes mehr und mehr in den Unternehmensmarkt diffundieren und sich als solcher auflösen. Die Rechtsexpertise wird dann nicht mehr als eine für sich stehende Dienstleistung konkurrierender Anbieter verstanden werden, sondern als eines unter vielen notwenigen Aktionsfeldern, das zugunsten einer Gestaltungsvision von was auch immer unter alle möglichen Dächer geordnet werden kann. Und die Frage hierbei lautet: Wer stellt zuerst das Dach? Spätestens mit Eintritt der ABS schlägt für Anwälte also die Stunde der Eco-Brands.

Erste Schritte in diese Richtung sind bereits getan. Projektorientierte Kooperationen sind bereits State of the Art, einzelne Commodity-Anbieter verweisen schon heute auf beachtliche Erfolge in der juristischen Zuarbeit eben nicht nur für Kanzleien, sondern auch für große Unternehmen, andere stehen an den deutschen Grenzen in den Startlöchern. Hier ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich größere Systeme zusammenschließen (seien es Unternehmen oder Kanzleien), die dann den Markt mit innovativen Geschäftsmodellen überrollen.

Angesichts der Ressourcen bieten sich hier insbesondere für die größeren Kanzleien viele Gestaltungsmöglichkeiten. Aber auch Kanzleiverbünde kleiner Kanzleien können, so sie denn nicht im internen Machtkampf der individuellen Vorteilsnahme stecken bleiben, ein attraktives Geschäftsfeld auf- und ausbauen. Für solche Verbünde von Dienstleistern verschiedener Größe gibt es ebenfalls eine Blaupause in der Geschichte: Die Deutsche Hanse. In ihrer Ausgestaltung kann auch sie als Eco- Brand mit der Vision einer Welt der freien Bürger und des freien Handels verstanden werden, deren kulturelle Identität der Nährboden für Humanismus und Renaissance, nicht zuletzt auch für die EU wurde.

Eco-Brands kommen nicht in ferner Zukunft. Erste Formierungen im Rechtsmarkt haben schon begonnen. Ob allein groß oder groß im Verbund – eines ist klar: ohne eine starke Vision, die weit über eine spezifische rechtliche Bereichskompetenz und auch weit über die Idee einer Rechtsberatung auf hohem Niveau hinausgeht, wird es nicht gehen.

 

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