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Der Bundesliga-Club als Marke

Stadion

Der Bundesliga-Club als Marke

Markenführung zwischen Vereinsmeierei, Fan-Communities und Sponsoren

 

Der Aufstieg des RB Leipzig in die Erste Bundesliga macht deutlich: Fußballclubs können durch zielgerichtete strategische Markenführung erfolgreich sein. Aber ist das auch sinnvoll? Viele – vor allem auch gegnerische – Fans sind damit gar nicht einverstanden. Unser Partner Dr. Alexander Schubert beleuchtet in seinem Artikel, worauf es bei der markenzentrierten Führung von Fußballvereinen ankommt.

Eine kleine Revolution hat stattgefunden. Der RB Leipzig hat sieben Jahre nach der Gründung den Aufstieg in die Erste Fußballbundesliga geschafft. Das ist insofern bemerkenswert, als die gesamte Vereinspolitik von Anfang an, seit dem Start in der fünften Liga, von Sponsor Red Bull konsequent markenstrategisch ausgerichtet war. Selbst der Fakt, dass der Vereinsname aufgrund der Liga-Satzung nicht „Red Bull“ lauten durfte sondern in „RasenBallsport“ umbenannt wurde, stellte dabei kein großes Hindernis dar, sondern ist vielmehr ein weiterer Beweis dafür, dass eine Marke etwas ganz anderes ist als nur ein Logo und ein Name.

Entscheidend ist die Identität, das Wertesystem der Marke, welches die Philosophie des Clubs an allen Kontaktpunkten erlebbar macht. Dabei ist der Marketing-Modebegriff „Kontaktpunkt“ (engl. Touchpoint) eigentlich schon falsch. Denn die DNA der Marke findet bereits im Inneren statt, bevor sie an irgendwelchen Touchpoints zum Ausdruck gebracht wird: nämlich in der Organisationsstruktur, der Spielphilosophie, dem Management mit Trainerstab, Scoutingabteilung, Kaderauswahl, Trainings- und Ausbildungscenter, und vieles mehr.

Der Erfolg gibt RB Leipzig recht, auch wenn die Strategie mehr als polarisiert und von den Fans der übrigen Bundesligaclubs sogar angefeindet wird. Der Club sei auf dem Reißbrett entstanden, nicht authentisch, künstlich hochgepäppelt mit den Sponsorenmillionen von Dietrich Mateschitz und so weiter. „Marke“ scheint verdächtig, vor allem wenn sie gleichgesetzt wird mit Marketing oder Kommerz.

Dabei scheint sich in der gesamten Liga die Auffassung durchzusetzen, dass die einzelnen Clubs eine identitätszentrierte Markenführung benötigen. Der VFL Wolfsburg hat klar definierte „emotionale Markenwerte“ sowie eine definierte Marken- und Digitalstrategie (vgl. G.E.M Markendialog 2015), was bei dem vom VW-Konzern gesteuerten Club ähnlich kritisch beäugt wird wie im Falle Leipzig. Aber auch die klassischen Traditionsvereine sehen immer mehr die Notwendigkeit, sich klar zu profilieren und zu differenzieren. Karl-Heinz Rummenigge etwa spricht gern vom „Markenkern“ des FC Bayern. Borussia Dortmund hat seit der Ära Watzke/Klopp eine klare Philosophie und Positionierung: ehrlich, geradeheraus, kämpferisch, aber mit Elan und Eleganz. Und selbst der Bundesliga-„Dino“ HSV hat sich vor kurzem – immerhin fast 130 Jahre nach Gründung – ein Leitbild verpasst.

Schaut man sich die Markenstrategien der einzelnen Vereine an, so fällt auf: Konzerngetriebene Vereine haben es anscheinend leichter, eine konsequente Markenstrategie zu entwickeln und vor allem umzusetzen. Das kommt aber (etwa im Gegensatz zur Formel 1) in der Fußball-Öffentlichkeit weniger gut an.

Traditionsvereine (wenn auch oft mit ausgegliederter Profiabteilung als Kapitalgesellschaft) haben mehr Akzeptanz, tun sich aber offensichtlich schwerer, im Spannungsfeld von Tradition, Vereinsmeierei, Grüppchenbildung, Ehrenspielführern, Selbstdarstellern, rivalisierenden Fangruppen und nicht zuletzt der Presse eine konsistente Marken- oder auch Kommunikationsstrategie durchzusetzen.

Dennoch ist dies unserer Ansicht nach unabdingbar, und auch nicht unmöglich. Allerdings sind dabei einige Regeln zu beachten, als Voraussetzungen einer erfolgreichen Markenstrategie:

  1. Die Rolle des CEO. Die Leitplanken der Marke müssen vom CEO (oder vom Vereinspräsidenten, je nach Organisationsform) vorgegeben und vor allem vorgelebt werden. Dabei muss er die Unterstützung der Aufsichtsgremien sowie der tragenden Personen im Club sicherstellen.
  1. Die Einbindung der Stakeholder. Sportvereine sind – ähnlich wie Kanzleien, Gewerkschaften oder Betriebsräte – personengetrieben. Deshalb ist die Identifikation der Mitglieder, Fans, Trainer und nicht zuletzt der Spieler entscheidend. Jedes Leitbild, Vision, Mission sind das Papier nicht wert, wenn die Stakeholder sich nicht damit identifizieren.
  1. Glaubwürdigkeit. Je größer die Tradition, desto mehr an – positiver oder negativer – „Brand Equity“ ist vorhanden. Deshalb steht am Anfang der Markenstrategie der Realitäts-Check: Welche Werte sind bereits vorhanden und können glaubwürdig weiterentwickelt werden? Welche Werte müssen neu hinzukommen, um erfolgreich zu sein? Welche negativen Attribute stehen dem Erfolg im Weg und müssen sukzessive überwunden werden?
  1. Strategie versus Taktik. Jede Markenführung bewegt sich im Spannungsfeld von strategischer Ausrichtung und taktischen Sachzwängen. Budgetrestriktionen, Wettbewerbsaktivitäten, Marktschwankungen etc. erfordern manchmal taktische Maßnahmen, die kurzfristig „off strategy“ sein können. Im Sport kommen noch weitere Unabwägbarkeiten hinzu: Auslosungsglück oder -pech, Verletzungen, Formschwankungen, Schiedsrichterentscheidungen und vieles mehr. Hier ist es die Aufgabe des Managements, bei allen kurzfristigen Maßnahmen das strategische Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, auch wenn es manchmal schwerfällt.
  1. Auswahl der Sponsoren. Dies ist bisher wenig beachtet und beleuchtet die Spannung zwischen Strategie und Taktik aus einem ganz besonderen Blickwinkel: Starke Marken suchen sich die Sponsoren aus, die von den Markenwerten her zu ihnen passen. Der FC Bayern etwa die Allianz (steht für Sicherheit und Vertrauen), Adidas (steht für Tradition und Erfolg), Audi (Vorsprung). Der Rest muss aus reiner Finanznot nehmen was kommt, Bremen etwa Wiesenhof, Leverkusen die Pleitefirma Teldafax, der HSV den im Nachhinein als betrügerisch entlarvten Imtech-Konzern. Dass damit kein starkes Markenimage aufgebaut werden kann ist klar.
  1. Erfolg nährt den Erfolg. Das Zitat „Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg“ gilt auch für die Markenführung. Ist der Club erfolgreich, kann der CEO die Markenstory besser verkaufen, die Stakeholder identifizieren sich leichter mit der Marke, die Fans sind positiver gestimmt, die Sponsoren erhöhen die Budgets, der Markenwert steigt. Umso größer ist die Gefahr, dass zu viele Leute im Verein am Erfolg partizipieren wollen und man gerade dann die strategische Idee aus den Augen verliert. Gerade im Erfolgsfall muss die Führung sicherstellen, dass die Werte gelebt und weiter umgesetzt werden.
  1. Papier ist geduldig. Bei vielen Markenleitbildern sind die Worte austauschbar. Es wird viel Zeit und Geld darauf verwendet, sich auf möglichst griffige Formulierungen zu einigen. Begriffe wie Teamgeist, Leistungsbereitschaft, Siegeswille, Leidenschaft, Nachhaltigkeit werden immer wieder gerne genommen. Am Ende hat man ein Manifest, auf das alle stolz sein können. Und das dann in der Schublade landet. Worauf es jedoch wirklich ankommt, ist die Umsetzung des Leitbilds. Und dafür ist meistens keine Zeit, kein Budget, keine Managementkapazität vorhanden. Dies umzusetzen, das nennen wir „markenzentrierte Unternehmensführung“: Ran an die Strukturen, die Teamorganisation, die Kaderplanung, die Kommunikation usw. Da kann dann RB Leipzig auf einmal zum Vorbild werden.

 

Fazit: Markenzentrierte Unternehmensführung im Bundesliga-Club – wie geht man also vor?

Da in normalen Vereinen nicht einfach durchregiert werden kann, sondern die verschiedenen Stakeholder unter einen Hut gebracht werden müssen, empfiehlt sich

  1. die Einrichtung eines „Steering Committee“ unter Einbindung der relevanten Abteilungen und Interessengruppen (wie z.B. in Industrieunternehmen schon lange gang und gäbe).
  1. Die Führung des Komitees sollte im Fußball nicht beim Marketing liegen (da dies zu sehr nach Vermarktung = Kommerzialisierung aussähe, da sind die Fans sensibel), sondern beim Club- und Personalmanagement.
  1. Der CEO sollte nicht Teil des Komitees sein, aber regelmäßig informiert und zu Meilenstein-Meetings eingeladen werden.
  1. Genauso wichtig wie die Strategie-Workshops zur Entwicklung des Markenleitbilds, wenn nicht sogar wichtiger, sind regelmäßige Implementierungs-Workshops mit den Führungsteams und den Mitarbeitern. Diese müssen unter Anleitung erfahrener Moderatoren die Umsetzungsideen und Maßnahmen selbst mit entwickeln, um das klassische „Not Invented Here“ Syndrom zu vermeiden.
  1. Und last but not least: Ein bisschen Fortune gehört natürlich auch mit dazu.

 

18.05.2016, Alexander Schubert, Partner brandrelation consulting, Hamburg

Alexander Schubert

Langjährige Erfahrung in Markenführung, Beratung und Kommunikation; Ex-CEO von brand union, branchenübergreifende Expertise in FMCG, Automotive, Finanzdienstleistungen, IT, TK und High Tech; Jury-Mitglied bei iF award und BoB-Award